Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde bei personenbezogenen Ausdrücken auf die zusätzliche Formulierung der weiblichen Form verzichtet. Wir weisen daher an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin, dass die Verwendung der männlichen Form als geschlechtsneutral zu verstehen ist und somit Frauen und Männer gleichermaßen umfasst.
Mit der Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter beginnt die „Konzipientenzeit“. Diese lässt sich grob in vier Abschnitte unterteilen.
1. Abschnitt
Der erste Abschnitt beginnt mit dem Eintritt in die Praxis und dauert mindestens 18 Monate. Der Eintritt in die Praxis gleicht einem Sprung ins kalte Wasser. Man muss sich nicht nur innerhalb kürzester Zeit mit den Strukturen und den internen Abläufen der Anwaltskanzlei vertraut machen, sondern wird auch vom ersten Tag an mit der selbstständigen Bearbeitung von Akten und dem Verfassen von Schriftsätzen betraut. Auch die Klientenarbeit, also der persönliche Kontakt zum „Kunden“, lässt für viele nicht lange auf sich warten. Wie schnell man „auf die Leute losgelassen wird“, hängt jedoch immer von der jeweiligen Kanzlei ab. Gleiches gilt für die Verhandlungstätigkeit bei Gericht und Behörden. Zumindest in kleineren Kanzleien am Land darf man sich darauf einstellen, schon alsbald erste Verhandlungserfahrungen sammeln zu dürfen.
Zu Beginn seiner Ausbildung verfügt der Rechtsanwaltsanwärter lediglich über die kleine Legitimationsurkunde und ist daher nur vertretungsbefugt, wenn die Beiziehung eines Rechtsanwalts gesetzlich nicht vorgeschrieben ist (§ 15 Abs 3 RAO). Dies bedeutet, dass der Rechtsanwaltsanwärter erstmals nur für die Verhandlungstätigkeit in „kleineren“ Causen eingesetzt wird und ihm erst allmählich immer verantwortungsvollere Aufgaben übertragen werden.
Der Sprung von der Theorie in die Praxis ist nicht leicht und erfordert schon einiges an Durchhaltevermögen. Jedoch vergeht die Zeit gerade zu Beginn wie im Flug und ehe man sich versieht, setzt auch schon die erste Routine ein. Als Faustregel kann man sagen, dass nach ungefähr sechs Monaten das Gröbste geschafft ist und man sich in seinem neuen Arbeitsumfeld eingelebt hat.
2. Abschnitt
Der zweite Abschnitt beginnt mit Erteilung der großen Legitimationsurkunde. Diese ermächtigt den Rechtsanwaltsanwärter vor allen Gerichten und Behörden auch in jenen Fällen zu vertreten, in denen die Beiziehung eines Rechtsanwalts gesetzlich vorgeschrieben ist. Vollumfänglich substitutionsberechtigt wäre grundsätzlich erst ein Rechtsanwaltsanwärter, der die Rechtsanwaltsprüfung mit Erfolg abgelegt hat. § 15 Abs 2 RAO sieht jedoch vor, dass das Erfordernis der Rechtsanwaltsprüfung auf Ansuchen eines Rechtsanwalts vom Ausschuss der Rechtsanwaltskammer aus rücksichtswürdigen Gründen denjenigen bei ihm in Verwendung stehenden Rechtsanwaltsanwärtern erlassen werden kann, die ein Studium des österreichischen Rechts abgeschlossen haben und mindestens eine fünfmonatige Praxis bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft sowie eine achtzehnmonatige praktische Verwendung bei einem Rechtsanwalt oder bei der Finanzprokuratur nachzuweisen vermögen. Neben diesen Voraussetzungen sieht § 1 Abs 3 RL-RAA vor, dass zusätzlich auch noch die Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen im Ausmaß von mindestens 12 Halbtagen notwendig ist.
Liegen auch alle sonstigen Voraussetzungen vor, so kann somit frühestens nach 18 Monaten praktischer Verwendung um Erteilung der großen Legitimationsurkunde angesucht werden. Die für das Ansuchen erforderlichen Unterlagen werden im internen Bereich der Website der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer unter dem Menüpunkt „Downloads“ zur Verfügung gestellt. Über die Zugangsdaten zu diesem Bereich verfügt der Ausbildungsanwalt. Aber auch für Rechtsanwaltsanwärter ist ein Zugang eingerichtet. Die eigenen Zugangsdaten können telefonisch bei der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer erfragt werden.
Zur Erlangung der großen Legitimationsurkunde werden folgende Unterlagen und Dokumente benötigt:
- Antragschreiben des Ausbildungsanwaltes (formfrei)
- Praxisbestätigung über mind. 18 Monate (als Download verfügbar)
- Amtsbestätigung über mind. 7 Monate Gerichtspraxis
- Nachweis über mind. 12 Ausbildungshalbtage
- Verdienstbestätigung über das Mindestgehalt (als Download verfügbar)
- Lichtbild
Alle diese Unterlagen und Dokumente sind im Original oder in beglaubigter Abschrift vorzulegen. Für die Ausfertigung der Legitimationsurkunde ist bei Abholung derselben eine Gebühr in Höhe von EUR 10,- zu bezahlen.
Mit Erlangung der großen Legitimationsurkunde ist ein weiterer großer Schritt auf dem langen Ausbildungsweg getan. Aufgrund der vollumfänglichen Substitutionsberechtigung ist es nunmehr möglich, auch in „größeren“ und damit oft auch verantwortungsvolleren Causen Verhandlungserfahrung zu sammeln. Der Umstand, dass man für seinen Ausbildungsanwalt ohne Einschränkung alle Verhandlungen verrichten kann, stellt für diesen einen nicht unerheblichen Mehrwert dar und sollte sich daher auch in einem Gehaltssprung bemerkbar machen.
3. Abschnitt
Der dritte Abschnitt wird von der Vorbereitung auf die Rechtsanwaltsprüfung bestimmt und endet mit deren erfolgreicher Ablegung. Grundvoraussetzung für die Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung ist die praktische Verwendung im Ausmaß von drei Jahren, wobei hievon mindestens sieben Monate bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft und mindestens zwei Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen sind (§ 2 Abs 1 RAPG). Weiters setzt § 2 Abs 2 RAPG iVm § 1 Abs 3 RL-RAA den Besuch von Ausbildungsveranstaltungen im Ausmaß von mindestens 24 Halbtagen voraus. Bis zu diesem Zeitpunkt sollte man daher bereits den Großteil der notwendigen „Seminarhalbtage“ absolviert haben.
Der Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltsprüfung kann frühestens sechs Monate vor Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen gestellt werden (§ 6 Abs 2 RAPG). Will man bereits mit bzw. kurz nach Erreichen der zeitlichen Voraussetzungen die Rechtsanwaltsprüfung ablegen, empfiehlt es sich daher, sich schon frühzeitig über die nächsten in Frage kommenden Prüfungstermine zu informieren.
Vor der Prüfung ziehen sich die Rechtsanwaltsanwärter in den sog. „Prüfungsurlaub“ zurück, wobei die Dauer des maximal gewährten Prüfungsurlaubes von der jeweiligen Kanzlei abhängt. Jedenfalls aber ist dem Rechtsanwaltsanwärter in Anrechnung auf dessen gesetzlichen Urlaubsanspruch über dessen schriftliches Verlangen unmittelbar vor Beginn der schriftlichen Prüfung für die Dauer von drei zusammenhängenden Wochen Prüfungsurlaub zu gewähren. Außerdem ist der Rechtsanwaltsanwärter ohne Anrechnung auf dessen gesetzlichen Urlaubsanspruch einerseits an den Tagen seiner mündlichen und schriftlichen Rechtsanwaltsprüfung sowie andererseits ab dem Tag, der auf die erste schriftliche Prüfung folgt bis zu dem Tage vor dem Beginn der mündlichen Prüfung (höchstens jedoch für die Dauer von 14 Kalendertagen) vom Dienst frei zu stellen (Beschluss des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 19.04.2005).
Die Rechtsanwaltsprüfung gliedert sich in einen schriftlichen und einen mündlichen Teil. Der schriftliche Teil besteht aus drei achtstündigen Klausuren. Der mündliche Teil ist in Form einer zweistündigen Klausur vor einem vierköpfigen Prüfungssenat, bestehend aus zwei Rechtsanwälten und zwei Richtern, abzulegen. Wird die Prüfung nicht bestanden, so darf sie zweimal wiederholt werden.
Mit bestandener Rechtsanwaltsprüfung hat man die größte Hürde auf dem Weg zum Rechtsanwalt geschafft. Aber auch sonst wurde ein wichtiger Schritt auf der beruflichen Karriereleiter gemacht. Nicht nur ist die selbstständige Ausübung des Rechtsanwaltberufes in Sichtweite gerückt, sondern haben sich auch die Karrierechancen in der Privatwirtschafft erheblich verbessert.
4. Abschnitt
Der vierte Abschnitt beginnt mit der erfolgreich abgelegten Rechtsanwaltsprüfung und endet mit der Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte. Rechtsanwalt wird man durch die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte. Diese Eintragung kann erreichen, wer die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Die zu erfüllenden Erfordernisse sind die österreichische Staatsbürgerschaft, wobei die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft der österreichischen Staatsbürgerschaft gleichzuhalten ist, die Eigenberechtigung, der Abschluss eines Studiums des österreichischen Rechts, die praktische Verwendung in der gesetzlichen Art und Dauer, die mit Erfolg zurückgelegte Rechtsanwaltsprüfung, die Teilnahme an den nach den Richtlinien für die Ausbildung von Rechtsanwaltsanwärtern erforderlichen Ausbildungsveranstaltungen im Ausmaß von höchstens 42 Halbtagen sowie der Abschluss einer Haftpflichtversicherung (§ 1 Abs 2 RAO). Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft erforderliche praktische Verwendung hat fünf Jahre zu dauern, wobei hievon mindestens fünf Monate bei Gericht oder einer Staatsanwaltschaft und mindestens drei Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen sind (§ 2 Abs 2 RAO). In der noch verbliebenen Zeit von einem Jahr und sieben Monaten kann die praktische Verwendung auch noch in gewissen anderen rechtsberuflichen Tätigkeiten bestehen (vgl § 2 Abs 1 RAO).
Nach bestandener Rechtsanwaltsprüfung verbleiben meist noch einige Monate bis zur „Eintragungsfähigkeit“. Sofern nicht die unselbstständige Anstellung als Rechtsanwalt angestrebt wird, sollte man diese Zeit nutzen, um den Absprung in die Selbstständigkeit vorzubereiten. Spätestens jetzt sollte sich der angehende Rechtsanwalt die Frage stellen, in welcher Form er den Beruf in Zukunft ausüben möchte, ob als Einzelanwalt, in Kooperation mit anderen Kollegen (z.B. in Form einer Regiegemeinschaft oder auf Basis einer Substitutionsvereinbarung) oder im Rahmen einer Rechtsanwalts-Gesellschaft. Ist diese Frage einmal beantwortet, so sind bereits die ersten Weichen in Richtung Selbstständigkeit gestellt.
Über die für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte beizubringenden Unterlagen gibt ein Merkblatt Auskunft, welches im internen Bereich der Website der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer unter dem Menüpunkt „Downloads“ zur Verfügung gestellt wird. Über die Zugangsdaten zu diesem Bereich verfügt der Ausbildungsanwalt. Aber auch für Rechtsanwaltsanwärter ist ein Zugang eingerichtet. Die eigenen Zugangsdaten können telefonisch bei der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer erfragt werden.
Mit Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte endet die „Konzipientenzeit“ und somit der lange Ausbildungsweg zum Rechtsanwalt.